Schach als lernfördernde soziale Praktik und wie das Ausland auf die deutsche Schulschach-Tradition schaut

Vor der Pandemie berichteten die im Schulschach aktiven Pädagogen und Schachspieler vom ungebrochenen Interesse am Schachspiel. Doch wie wird es nach der Pandemie aussehen, wenn die frühere Alltagsnormalität zurückkehrt? Welche Folgen werden die Schulschließungen während der Lockdowns für die Schüler haben? Wird es den Kindern gelingen, den Anschluss in der Schule zu halten oder werden Wissenslücken lange nachwirken? Werden die Kinder so einfach in die Sportvereine zurückkehren? Ich bin optimistisch, dass das Schach weiterhin unvermindert Zulauf erhält. Warum? Im aktuellen Bildungsbericht Deutschland (2020) formulierten die Bildungsexperten quasi eine Empfehlung für „Schach als Unterrichtsfach“:

„Offen ist vor allem in qualitativer Hinsicht, wie unterrichtliche und außerunterrichtliche Aktivitäten bestmöglich verzahnt werden können, um die individuelle Förderung jeder Schülerin und jedes Schülers zu ermöglichen. Hier fehlt es – seitens der Forschung und seitens der Politik – nach wie vor an verlässlichen Qualitätsmaßstäben für „gute“ ganztägige Bildung und Betreuung im Schulalter. Auch das Zusammenspiel mit außerschulischen Bildungsgelegenheiten und Aktivitäten … gilt es, künftig mit Blick auf ihre jeweilige Bedeutung für die kognitive, soziale und persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen stärker herauszuarbeiten. (Seite 150, Link zum Bildungsbericht 2020)

Eine Lösungsmöglichkeit für die hier geschilderten Probleme zeigt Igor Sukhin, der oberste Bildungsstratege in Russland (Институт стратегии развития образования Российской академии образования) auf, der Schach als Unterrichtsfach in Russland einführte:

„Schach gilt als ein Attribut der allseitigen Persönlichkeitsentwicklung, als ein Mittel zur Erziehung und Sozialisierung der Kinder, als ein Mittel zur Entwicklung des Willens, zur Herausbildung weiterer positiver Charaktereigenschaften, zur Entwicklung mentaler Fähigkeiten und des Denkens. … . Tatsächlich sind … viele Länder dabei, ihre Bildungssysteme zu reformieren und intensiv nach Fächern zu suchen und in den Lehrplan aufzunehmen, die der Entwicklung der geistigen Fähigkeiten dienen.“

In seinem weiter unten vorgestellten Aufsatz legt Igor Sukhin dar, wie Schach zur Lösung aktueller Probleme in der Sozialpädagogik und der Wissensvermittlung beitragen kann. Auch Deutschland diskutiert über lernförderliche soziale Praktiken mit dem Ziel, optimale Bedingungen für das Lehren und Lernen zu schaffen. Für zukünftige Generationen ist lebenslangen Lernen wichtiger denn je, um die notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten für ein erfolgreiches Berufsleben zu erwerben. Das selbstbestimmte Leben setzt Wissen und Fähigkeiten voraus, um sich in einer stetigen wandelnden Welt zu behaupten und durchzusetzen. Weltweit suchen die Länder nach Konzepten, wie man unter verschiedenen Bedingungen und Voraussetzungen fast „beiläufig“, um nicht zu sagen spielerisch, neues Wissen und Fertigkeiten erwerben kann.

In anderen Ländern, allen voran in Russland, Brasilien, Kuba, Spanien werden kontinuierlich Forschungsergebnisse zum Einfluss von Schach auf die Persönlichkeitsentwicklung, die Lernfreude, das Sozialverhalten der Kinder veröffentlicht. Auch der Bereich der Methodik und Didaktik wird nicht ausgespart. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es irgendwo Bildungspolitiker und Lehrer gibt, die die Stundentafel hervorholen werden und nachweisen wollen, dass es keinen Spielraum zur Unterrichtsausweitung gibt. Man könnte sie über ihren möglichen Irrtum aufklären, weil in unserer Zeit, im Zeitalter riesiger Datenmengen, es einfach unmöglich ist, einen vollständigen Überblick über alle Wissensgebiete zu geben. Deshalb müssen wir das Auswendiglernen von Fakten durch das Erlernen von Methoden zur Gewinnung und Erklärung von Fakten ersetzen. Genau dieses Szenario beschrieb Prof. Georg Klaus schon 1969, lange vor dem Internetzeitalter.

Der gleiche Aufsatz von Igor Sukhin enthält auch eine lesenswerte Zusammenfassung der deutschen Schulschachgeschichte, als deren profunder Kenner er sich erweist.  Er berichtet von der jahrhundertealten Erfahrung Deutschlands zu Schach in Schule und in der Bildung, rückt ins Gedächtnis, dass an der preußischen Militärakademie Schach unterrichtet wurde, zitiert Emanuel Lasker und Siegbert Tarrasch zu Schulschach, verweist auf herausragende deutsche Forschungsergebnisse über die positiven Auswirkungen des Schachunterrichts und erklärt schließlich, dass deutsches Schulschach-Know-how für das russische Projekt „Schach als Unterrichtsfach“ verwendet wurde.

Der vollständige Aufsatz von Igor Sukhin kann  in deutscher Übersetzung (s. nächsten Abschnitt, unten bzw. PDF) oder im Original (russisch) nachgelesen werden.

 

EINES DER MITTEL FÜR DIE BILDUNG UND SOZIALISATI-ON VON SCHÜLERN IN DEUTSCHLAND

Originaltitel: „ОДНО ИЗ СРЕДСТВ ВОСПИТАНИЯ И СОЦИАЛИЗАЦИИ УЧАЩИХСЯ В ГЕРМАНИИ“ / „ONE OF THE MEANS OF EDUCATION AND SOCIALISATION OF STUDENTS IN GERMANY “
Veröffentlichung: 2016
Autor: I.G. Sukhin

Der Begriff „Soziale Praktik“ wird heute von Forschern unterschiedlich ausgelegt. Sowohl in der russischsprachigen als auch in der deutschsprachigen Wikipedia gibt es nur einen kleinen Eintrag bei „Soziale Praxis“. Die russischsprachige Wikipedia (wie auch das elektronische Lexikon „Academic“ ) beschreibt soziale Praxis als „eine Art von Praktik, in der ein konkretes historisches Subjekt unter Zuhilfenahme von Institutionen, Organisationen und Einrichtungen, die das System der sozialen Beziehungen beeinflussen, die Gesellschaft verändert und sich selbst entwickelt“ (Soziale Praxis, 2016).

B.G. Yudin beschreibt neue soziale Praktiken als „neue Formen von Wechselbeziehungen zwischen Menschen und sozialen Institutionen, die nicht ad-hoc sind, sondern in ähnlichen Situationen reproduziert werden“ (2005, S.134). Dabei ergänzt der Wissenschaftler, dass jede Neuerung, die den sozialen Praktiken zugerechnet werden, als ein gewisses „Objekt“ betrachtet werden kann, das daher bestimmte Methoden und Anwendungen voraussetzt.

N.A. Patutina weist darauf hin, dass die Besonderheit sozialer Praktiken darin besteht, dass sie grundlegende Formen der sozialen Existenz „offenlegen“, die in einer bestimmten Kultur zu einer bestimmten Zeit vorhanden sind (N.A. Patutina, 2015, S. 191).

V.M. Lizinsky unterscheidet drei Quellen des Phänomens sozialer Praktiken: die lebensspendende , die organisationale und die sozial-persönliche. Zur lebensspendenden Praktik zählt der Wissenschaftler das Vorhandensein, die Herausbildung und den Vorrang der nationalen Idee, die das Land, das Volk und die Gesellschaft eint. Die organisationale Praktik umfasst reale soziale Bindungen, ohne die eine soziale Partnerschaft als eine Gemeinschaft von Teilnehmern, die am sozialen Fortschritt interessiert sind, nicht entstehen kann. Zur sozial-persönlichen Praktik zählt die Existenz, Bildung und Entwicklung einer sozialpersonellen Sicht. Auch weist der Forscher auf drei Komponenten des Phänomens der sozialen Praktiken hin: zielgerichtetes, organisiertes Wissen über sich und die Welt und der rein zufällige Kontakt mit Informationsflüssen; organisierte aktive individuelle und kollektive soziale Tätigkeiten; vorberufliche und berufliche Tests und Praktika (V.M. Lizinsky, 2015).

Versuchen wir unter Berücksichtigung der genannten Sichtweisen, einige Facetten des für die heutige Pädagogik in Deutschland (wie auch in anderen Ländern) relativ neuen Phänomens wie der Schachausbildung zu untersuchen. Das pädagogische Potential des Schachspiels wird von Praktikern seit langem für die Lösung verschiedenster Probleme genutzt, daher wird das Schachspiel hin und wieder als Schule der Erziehung und Selbsterziehung bezeichnet. Insbesondere Weltmeister A.A. Aljechin schrieb, dass Schach seinen Charakter formte. Um auf den Kern zu kommen: Schach gilt als ein Attribut der allseitigen Persönlichkeitsentwicklung, als ein Mittel zur Erziehung und Sozialisierung der Kinder, als ein Mittel zur Entwicklung des Willens, zur Herausbildung weiterer positiver Charaktereigenschaften, zur Entwicklung mentaler Fähigkeiten und des Denkens. Schauen wir auf Letzteres. Tatsächlich sind 2016 viele Länder dabei, ihre Bildungssysteme zu reformieren und intensiv nach Fächern zu suchen und in den Lehrplan aufzunehmen, die der Entwicklung der geistigen Fähigkeiten dienen. Die in vielen Ländern gesammelten Erfahrungen zeigen, dass dazu Schach gehört. Schach ist ein über Ländergrenzen hinweg einzigartiges, Werkzeug zur Entwicklung, Erziehung und Sozialisierung der jüngeren Generation.

Im 20. Jahrhundert wurden Studien über das Denken in England, Deutschland, Kanada, der UdSSR, den USA, Frankreich, Japan und anderen Ländern durchgeführt. Ihre Ergebnisse haben die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler auf ein Werkzeug wie Schach gelenkt, um Kinder zum Denken anzuregen. In der Folge wurden in Albanien, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Brasilien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Indien, Israel, Italien, Moldawien, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Russland, Slowenien, Spanien, der Türkei, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten, Uruguay und Venezuela Projekte durchgeführt, um Schach als ein Baustein im Bildungssystem einzusetzen. In den letzten zehn Jahren gab es in vielen Ländern ein nie dagewesenes Interesse am Schach, nicht nur als zusätzliches Bildungsangebot für Kinder, sondern als vollwertiges Unterrichtsfach. Dies liegt daran, dass zu Beginn des Jahrhunderts überzeugende Ergebnisse in der experimentellen Forschung gewonnen wurden, die die These zum Nutzen von Schach für die intellektuelle Entwicklung der Kinder im Alter von 5-12 Jahre bestätigten. Deshalb verabschiedete das Europäische Parlament am 15. März 2012 die Erklärung Nr. 50/2011 „Schach in der Schule“, für die 415 von 780 Abgeordneten stimmten. In der Erklärung wird Schach nicht als Sport, sondern als Teil des Bildungssystems betrachtet und allen europäischen Ländern wird empfohlen, Schach an den allgemeinbildenden Schulen zu lehren. Diese Empfehlung ist nicht rechtlicher Natur, aber sie ermöglicht führenden Experten auf diesem Gebiet, zu ihrem Bildungsministerium zu gehen, um es davon zu überzeugen, dass es erstrebenswert ist, Schach in den Fächerkanon aufzunehmen.

Schach hat eine jahrhundertealte Geschichte, Hunderttausende von Büchern sind dem Schach gewidmet, und eine halbe Milliarde Menschen spielen es. Die Beherrschung des Schachspiels wurde in vielen Ländern geschätzt und gehörte zu einer der sieben ritterlichen Tugenden. Außerdem machten Wissenschaftler auf der ganzen Welt schon lange auf das pädagogische Potential von Schach aufmerksam. In Deutschland ist diese Sichtweise besonders tief verwurzelt. Es sei an das weltbekannte deutsche Dorf Ströbeck erinnert, das im Bundesland Sachsen-Anhalt (ein Ortsteil von Halberstadt) liegt. Nach einer alten Legende wurde vor langer Zeit, im Jahr 1068, in diesem Dorf der Graf Gunzelin gefangen gehalten, der den Wachen das Schachspiel beibrachte. Dieses Spiel wurde bei den Dorfbewohnern so beliebt, dass sie sogar ein Schachbrett, einen Springer und einen Bauern in das Wappen von Ströbeck aufnahmen. Das Siegel im Gemeindeamt wurde als Schachbrett gestaltet. Eine andere Besonderheit des Ortes war der Hochzeitsbrauch – der Bräutigam war verpflichtet, mit dem Vater der Braut eine Partie Schach zu spielen. Seit 1886 führt das Dorf eine „Schachchronik“, in der die wichtigsten Ereignisse aus der Welt des alten und weisen Spiels festgehalten werden. Es ist nicht verwunderlich, dass Ströbeck 1991 in „Schachdorf Ströbeck“ umbenannt wurde. Für seine Verdienste um das Schachspiel (bis heute spielen dort alle Schach) wurde das berühmte deutsche Dorf in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Im Kontext unserer Studie ist es wichtig, dass vor fast zweihundert Jahren, im Jahr 1823, damit begonnen wurde, ab der dritten Klasse an der Schule von Ströbeck Schach als Pflichtfach zu unterrichten. Jedes Jahr wird ein Schulturnier durchgeführt, und die Namen der Schulmeister sind im Schachzimmer zu sehen. 1914 begann der Schachunterricht für deutsche Offiziere an der Preußischen Militärakademie. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde die Aufnahme von Schach in den Lehrplan der Bildungseinrichtungen durch den bekannten deutschen Theoretiker S. Tarrasch befürwortet, der als einer der ersten weltweit die gesellschaftliche Bedeutung des Schachspiels hervorhob. Die Zeitschrift „Shahmatnoe obozrenie“ berichtete: „Der Nürnberger Arzt, Dr. Tarrasch… entwickelte einen Plan, Schach als Unterrichtsfach an den Mittelschulen einzuführen. Nach Tarrasch fördert das Schachspiel den Geist, lehrt Geduld, fördert das Denken und die Phantasie, macht Freude und erfüllt im Allgemeinen alle Anforderungen einer vernünftigen Pädagogik. Daher schlägt Tarrasch vor, dass Schach in den höheren Klassen der Mittelschulen als Pflichtfach eingeführt wird“ (Arabesque, 1903).

Der Vortrag von S. Tarrasch zu diesem Thema, den er 1908 in Berlin hielt, machte einen starken Eindruck auf die Zeitgenossen. Einige seiner Kollegen vertraten die Meinung, dass Schach als Unterrichtsfach in der Schule eine unnötige Belastung sei, die nur zu einer Überforderung der Schüler führen würde. Aber die überwältigende Mehrheit der deutschen Experten bestätigte, dass Schach für sie persönlich in ihrer Schulzeit eine große Hilfe war, weil das Schachspiel sie zur Vernunft erzog und ihnen systematisches Arbeiten näherbrachte. (N.V. Krogius, 1990).

Im gleichen Jahr, 1908, wurde in „Lasker’s Chess Magazine“ folgende Notiz über die Meinung des großen Deutschen Em. Lasker veröffentlicht: „Dr. Emanuel Lasker, der Weltmeister und vielleicht der größte Schachspieler in der ganzen Geschichte, empfiehlt Schach als Teil des Schullehrplans.“ In vielen Schulen Europas wird den Schülern Schach beigebracht; die weisen Japaner sind der Meinung, dass ihr Schach, das viel schwieriger ist als unseres, den Geist sehr diszipliniert, logisches Denken fördert… Schach, wenn man es nicht übertreibt, stärkt und trainiert den Geist so gut, wie Tennis, Baseball oder Ringen den Körper trainieren.“ (Schach in der Schule, 1908).

1969 berichtete der Dekan der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin G. Klaus über die Ergebnisse der Schachforschung in Deutschland, die belegen, dass Schach die Entwicklung des Denkens bei Schulkindern fördert und die Verbesserung der allgemeinen schulischen Leistungen bewirkte. Es zeigte sich, dass in den Versuchsklassen, in denen es systematischen Schachunterricht gab, die Noten für schulischen Leistungen deutlich besser ausfielen als in der Kontrollklasse, die keinen solchen Unterricht hatte. Klaus verwies darauf, dass Schach eine ausgezeichnete Schule für logisches Denken ist und schlussfolgerte, dass es einfacher ist, das logische Denken mittels Schach zu trainieren, als Lehrbücher über Logik dafür einzusetzen. Er schlug vor, dass der Unterricht in den Grundschulklassen beginnen sollte, um die Schüler schon früh mit dialektischen, strategischen und taktischen Denkweisen in Berührung kommen zu lassen. Er wies auch auf das besondere Potenzial des Schachspiels als Mittel zur Förderung der wissenschaftlichen Genauigkeit und der analytischen Fähigkeiten hin. Seiner Meinung nach kann nur derjenige erfolgreich schöpferisch tätig sein, der in der Lage ist, einen riesigen Informationsfluss in kurzer Zeit analytisch zu verarbeiten. Einen besonderen Nutzen von Schach sah der deutsche Wissenschaftler darin, dass das Schachspiel darin schult, Entscheidungen nach Prüfung aller vorhandenen Möglichkeiten zu treffen. Dabei wusste Klaus, wie schwierig es sein würde, Schach als Unterrichtsfach an der Schule einzuführen: „Wenn Sie heute irgendeinem Lehrer vorschlagen, in seiner Klasse für eine Stunde in der Woche Schach zu unterrichten, würde er Ihnen den Stundenplan zeigen und die Unmöglichkeit der Unterrichtsausweitung beweisen. Der Irrtum eines solchen Pädagogen ist folgender: In unserer Zeit, im Zeitalter eines riesigen Informationsflusses, ist es einfach nicht möglich, einen vollständigen Überblick über alle Wissenschaften zu geben. Wir müssen das Auswendiglernen von Fakten mehr und mehr durch das Erlernen von Methoden zur Gewinnung und Erklärung von Fakten ersetzen“ (Klaus, 1969, S. 22).

Seitdem dringt das Schachspiel als Mittel zur Förderung des selbständigen Denkens mehr und mehr an deutschen Schulen vor. Damit wurden jene Bereiche des deutschen Bildungswesens verbessert, die auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch lahmten. Diese Schwächen sind: unzureichende Konzentration der Schüler im Unterricht, Probleme bei den Lese-, Schreib- und Rechenfertigkeiten, Verhaltensprobleme, Impulsivität, Aggressivität, Hyperaktivität usw. Dank dem Schachunterricht verbesserten sich die Werte dieser Parameter. Darauf wies die deutsche Psychologin M. Bönsch-Kauke in ihrem Buch „Klüger durch Schach“ (M. Bönsch-Kauke, 2008) hin, das versucht, die weltweiten Erfahrungen mit dem Schachunterricht an Schulen zusammenzufassen.

Experimentelle Studien zu den Auswirkungen des Schachunterrichts auf die Kinder sind in Deutschland immer noch im Gange. Es wird auf eine Untersuchung verwiesen, die mit Schülern der zweiten Klasse in Deutschlands ältester Stadt Trier durchgeführt wurde. Der Unterricht fand einmal pro Woche über vier Jahre statt, wofür eine Mathematikstunde genommen wurde. Während es in den Kontrollklassen (in denen kein Schachunterricht stattfand) keine signifikante Verbesserung bei einer Reihe von Untersuchungsparametern zu verzeichnen war, zeigten die „Schachklassen“ um das Zweifache bessere Leistungen in Mathematik, ein um das Zweieinhalbfache besseres Leseverständnis und ein um das Dreifache besseres allgemeines Verständnis. Höhere Werte wurden für die Konzentrationsfähigkeit, Leistungsmotivation und für den Erwerb sozialer Fähigkeiten und sozialer Kompetenz erzielt (A. Krämer, 2016).

Im heutigen Deutschland zielt der Schachunterricht auf eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung, auf die Erziehung und Sozialisation der Schüler, auf die Entwicklung des kreativen Denkens, auf die Kreativität und Selbsterziehung. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Grad der Selbstregulierung des Verhaltens, der kritischen Selbstanalyse, der Entwicklung der Objektivität, der Fähig-keit, eine andere Meinung zu akzeptieren, dem Respektieren der Regeln, der Ästhetik der Schach-kunst, der Fähigkeit, sich zurückzuhalten und der Selbstbeherrschung.

Die umfangreichen Erfahrungen in Deutschland (wie auch die Erfahrungen von Spezialisten in anderen Ländern) blieben den russischen Forschern nicht verborgen, die diese bei der Erarbeitung eines wissenschaftlich fundierten Schachkurses an der Grundschule mit dem Namen „Schach der Schule“ und bei der Ausarbeitung neuer gesundheitsschonender pädagogischer Methoden verwendeten –

„Methoden zur Entwicklung der Fähigkeit, „im Geiste“ zu handeln, unter Einbeziehung von Schachmaterialien“ oder von „an Schachaufgaben orientierten Methoden“. Dies ermöglichte es der Russischen Föderation, ihre Schwerpunkte in einigen Bereichen der Schachausbildung zu setzen, wie die folgenden internationalen wissenschaftlich-praktischen Konferenzen zeigten:

1) „Schach im Bildungssystem Russlands und der Welt“ (Moskau, 2009)
„Шахматы в системе образования России и мира“ (Москва, 2009;
URL: https://open2009.moscowchess.org/scientific_conference/itog_doc_rus.php
2) „Schach als Werkzeug zur Anhebung des intellektuellen Niveaus von Kindern (Chanty-Mansijsk, 2010)
„Шахматы – инструмент повышения интеллектуального уровня детей“ (Ханты-Мансийск, 2010);
3) „Schach als innovatives Fach im Bildungssystem“ (Moskau, 2010)
„Шахматы как инновационный учебный предмет в системе образования“ (Москва, 2010);
URL: https://open2010.moscowchess.org/scientific_conference/news_rus_1.php
4) „Aktuelle Probleme bei der Unterrichtung von „Schach“ an allgemeinbildenden Schulen und Kindergärten in Russland und in anderen Ländern“ (Satka, 2011)
„Актуальные проблемы преподавания учебной дисциплины „Шахматы“ в общеобразовательных школах и детских садах России и других стран мира“ (Сатка, 2011);
5) „Schachausbildung – eine wichtige Ressource im globalen Bildungssystem“ (Chanty-Mansijsk, 2013)
„Шахматное образование – важный ресурс мировой системы образования“ (Ханты-Мансийск, 2013)

Referenzen:

1. Arabesque Арабески [Текст] // Шахматное обозрение.–1903.–No 64-65.–С.367.

2. Клаус Г. Нужны ли людям шахматы? [ Текст] // Шахматная Москва.–1969.–No14.–С.21-22. – URL: https://www.gen64.ru/chess/klaus.htm (дата обращения: 21.03.2021).

3. Крогиус Н.В.Тарраш – публицист [Текст] // 64 – Шахматное обозрение. –1990.–No7.–С.24-25 – URL: http://publ.lib.ru/ARCHIVES/SH/“64_-_shahmatnoe_obozrenie“/_“64_-_shahmatnoe_obozrenie“.html

4. Лизинский В.М. Три источника итри составные части социальных практик [Текст] // Социальная педагогика в современных социальных практиках: Сборникна учных статей V Международного симпозиума.18-22 мая 2015 г./ Научн. ред. А.В. Мудрик,Т.Т.Щелина.– Арзамас: Арзамасский филиал ННГУ, 2015.–С.155–159. – URL: https://docplayer.ru/44614114-Socialnaya-pedagogika-v-sovremennyh-socialnyh-praktikah.html

5. Патутина Н.А. Социальные практики инновационной культуры компании (социально-педагогический аспект) [Текст] // Социальная педагогика в современных социальных практиках: Сборникна учных статей V Международного симпозиума.18-22 мая 2015 г. / Научн. ред. А.В. Мудрик, Т.Т. Щелина.–Арзамас: Арзамасский филиал ННГУ, 2015.–С.186–199. – URL: https://docplayer.ru/44614114-Socialnaya-pedagogika-v-sovremennyh-socialnyh-praktikah.html

6. Soziale Praktik Социальная практика [Электронный ресурс]. – URL: https://ru.wikipedia.org/wiki/Социальная_практика (дата обращения: 22.05.2016).

7. Schach in der Schule Шахматы в школе [Электронный ресурс] / Сайт шахматного всеобуча.–URL: http://chess555.narod.ru/imp2.htm (дата обращения: 24.05.2016).

8. Юдин Б.Г. От этической экспертизы к экспертизе гуманитарной [ Текст] // Знание. Понимание. Умение.– 2005.– No 2.–С.126–135. – URL: http://zpu-journal.ru/zpu/2005_2/Yudin/16.pdf

9. Bönsch-Kauke M. Klüger durch Schach [Текст]. – Leibniz Verlag, St.Goar, 2008. –407p.

10. Krämer A. Schach an der Grundschule Trier-Olewig [Электронный ресурс].–URL: http://fritzundfertig.chessbase.com/img/StudieTrier.pdf (дата обращения: 21.05.2016) – Langfassung: URL: https://nsv-online.de/downloads/Endbericht-Abschlusskorrektur13-02-07.pdf