Zum 100. Geburtstag von Juri Awerbach (Originalbeitrag bei Sport-Express.ru)

Am 14.03.2022 veröffentlichte die russische Tageszeitung „Sport-Express“ auf Ihrer Internetseite einen lesenswerten Artikel des Journalisten Juri Golyschak über das ereignisreiche Leben von Juri Awerbach. Großmeister Awerbach ist vielen als Endspielpapst bekannt – viele kennen sein Lehrbuch der Schachendspiele.

Juri Lwowitsch Awerbach, der am 08.02.1922 in Kaluga geboren wurde, ist eine lebende Schachlegende. Juri Golyschak nimmt seine Leser auf eine bewegende Reise spannender Schachgeschichte mit und lässt dabei Juri Awerbach zu Wort kommen. Mir gefiel der Schreibstil – so warm , mit so viel Liebe und Anteilnahme geschrieben. Mit der deutschen Übersetzung möchte ich auch jüngeren Schachspielern im deutschsprachigen Raum diese bewegenden Geschichten nahebringen.

Am 8. Februar 2022 feierte der Großmeister seinen 100sten Geburtstag. An diesem Tag besuchte ihn der Cheftrainer der russischen Nationalmannschaften, Großmeister Sergei Yanovsky. Er überreichte Auszeichnungen und Geschenke zum Jubiläum und übermittelte zahlreiche Glückwünsche. Der Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin, sandte ein Dankschreiben. Für seine herausragenden Verdienste um die Förderung des Schachs wurde Juri Lwowitsch mit dem Goldenen Abzeichen des Russischen Schachverbandes ausgezeichnet; außerdem gab die FCR zu Ehren des Jubiläums ein buntes Fotoalbum heraus. – Video:

Am 8. Februar wurde der älteste Großmeister der Welt, Juri Awerbach, 100 Jahre alt.

Juri Awerbach (Autor: Jurgen Stigter – Jurgen Stigter, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2602409)

Es scheint, als ob die Olympischen Spiele eine Ewigkeit her sind. Aber wenn man auf den Kalender schaut, war es erst gestern. Plötzlich findest du einen Notizzettel: Unbedingt aufschreiben“ …

Du erinnerst Dich – aber sicher! Die Olympischen Spiele wurden von einem außergewöhnlichen Ereignis überschattet. Das wäre einer Titelseite einer großen Sportzeitung würdig gewesen. Aber die Geschichte erschien auf der sechzehnten Seite.

Die ersten Seiten wurden dem berühmten Skifahrer Bolschunow – zu Recht! – gewidmet, der sich vor unseren Augen zu einem großen Skifahrer entwickelt hat. Es wurde über Neprjajewa und die Eishockeyspieler berichtet, die Silbermedaillen erkämpften.

Inzwischen feierte Großmeister Juri Awerbach in Moskau seinen hundertsten Geburtstag. Haben Sie die Zahl schon realisiert, haben Sie sich Gedanken über die Zahl gemacht? 100 Jahre – und er lebt!

Ich bin mir nicht sicher, ob er gesund ist – der großartige Juri Lwowitsch hat vor nicht allzu langer Zeit sowohl einen Covid-Krankenhausaufenthalt als auch die Intensivstation überstanden. Mit Jammern wird man kein Großmeister.

Awerbach – 100!

Verzeihen Sie mir – ich kann es mir nicht vorstellen…

Kraft für das Endspiel

Doch es sind nicht die Jahrestage, die uns an den Großmeister erinnern, sondern sein erstaunlicher, unglaublicher Lebensweg. Voller wundersamer Abenteuer, die Juri Lwowitsch ein großer Ordnungsfanatiker, selbst mied. Aber sie kamen zu ihm. Offenbar gab es irgendwo oben ein Drehbuch.

Wir trafen uns mehrmals, machten Interviews – und jedes Mal war es so intensiv, dass mir eine Widersprüchlichkeit in Erinnerung blieb: Mit ruhiger, fast farbloser Stimme erzählt er eine unglaubliche Geschichte.

Ich wollte schreien, mich vergewissern – aber Juri Lwowitsch hielt sich nicht mit Kleinigkeiten auf, und er hatte auch nicht vor, sich mit Kleinigkeiten aufzuhalten. Jedes Gespräch war für den damals 92-Jährigen wie eine Schachpartie. Wobei es sich empfiehlt, die Kräfte für das Endspiel aufzusparen.

„Awerbach eröffnet eine Schachschule“

Jeder Winkel Moskaus ist für mich als Reporter mit Treffen der vergangenen Jahre verbunden.
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Da ist die Metrostation „Sportiwnaja“. An was sie alles erinnert!

Hier hatte Iwan Bortnik, der noch auf der Gehaltsliste des Taganka-Theaters stand, aber keine Rolle übernahm, Termine mit Journalisten vereinbart. Er stand unerkannt da, trug einen Schal und eine Mütze.

Hier, gleich um die Ecke, verbrachte Lera Wassiljewa, die erste Schönheit Moskaus in den 50er Jahren, eine Schauspielerin des Jermolowa-Theaters, ihre letzten Tage in einem Hospiz. Sie ist auch als Waleria Beskowa bekannt . Die Frau von Konstantin Iwanowitsch.

Innerhalb weniger Monate wurde sie vom Krebs dahingerafft – aber die letzten Wochen, in denen sich die Lebenswirklichkeit mit dem Jenseits vermischte, waren glückliche Wochen. Dank Sergej Stepaschin, einem Mann mit großer Seele, kam sie in dieses Hospiz, wo sie keine Schmerzen mehr fühlte. Sie war überzeugt, dass sie in irgendeinem Sanatorium war – dass sie kurz davor war, geheilt nach Hause zurückzukehren, wo bereits Kostja wartet…

Und in diesem Gebäude, direkt beim Metro-Ausgang, lebt ebendieser Großmeister Juri Awerbach. Über ihn sang Barykin vor langer Zeit: „Awerbach eröffnet eine Schachschule“.

Juri Awerbach leitete die im Fernsehen regelmäßig ausgestrahlte „Schachschule“
Text zum Lied von Barykin, auch in Englisch
Den Sänger Alexander Barykin live erleben:

In den 1950er Jahren wurde er von den Sowjets als Privatdetektiv nach Estoril in Portugal geschickt, um den mysteriösen Tod des Weltmeisters Aljechin zu untersuchen. Ob er nun vergiftet wurde oder nicht. Und wenn ja, von wem? Mit welchem Ziel?…

Es ist Awerbach, der die UdSSR-Meisterschaft gewann, als euer Urgroßvater noch jung war.

Es ist Awerbach, der der Schwiegervater eines anderen großen Schachspielers, Mark Taimanov, wurde.

Mark Jewgenjewitsch ist schon lange tot, und Barykin verfolgt unsere Erfolge aus dem Jenseits – während Juri Lwowitsch unglaubliche Geburtstagsjubiläen feiert. Womöglich wird er sogar 100 Kerzen ausblasen.

Wasenka Smyslow

Einst verabredete ich mich zu einem Treffen mit Awerbach vor dem Schachmuseum am Gogolewski Boulevard. Wohlhabende Leute hatten es gerade renoviert – und freuten sich, die Korrespondenten mit all den Schätzen bekannt zu machen.

Deshalb bat ich Awerbach, der an der Renovierung beteiligt gewesen war, die Leser durch die Ausstellung zu führen. Ich werde alles gewissenhaft aufschreiben und Fotos machen.

Früher gab es beim Schachverband ein Museum – aber was war das schon gewesen? Ein Raum voller Raritäten. Ja, niemand sah sie an. Dann war alles verschwunden. Für die Dauer der Sanierungsarbeiten wurde alles in einen Keller – nennen wir ihn respektvoll „Depot“ – gebracht.

Awerbach wurde 92 Jahre alt. Mancher unter uns kann sich daran erinnern, wie Juri Lwowitsch Meister der UdSSR wurde – und ruft triumphierend: 1954!

Oh mein Gott! 1954!

Hätte ein Großmeister aus der zweiten Reihe ein solches Alter erreicht, wäre er als der Größte geehrt worden. Aber Awerbach stand in der unruhigsten Zeit an der Spitze des Schachverbandes der UdSSR – als Anatoli Karpow mit Kortschnoi kämpfte.

Seine Schachfreunde liegen schon längst auf den Friedhöfen – aber für Awerbach bleiben sie alle lebendig. Sie hatten lange nicht mehr miteinander gesprochen – wie zum Beispiel mit dem Weltmeister Wasenka Smyslow. Ja, ja, „mit Wasenka“.

Als ich das alles zum ersten Mal hörte, griff ich, ohne mich umzudrehen, nach einem Stuhl hinter mir. Ich bekam weiche Knie.

Und Juri Lwowitsch sprach unbeirrt weiter – in Erinnerungen schwelgend. Auch seine Redeweise wirkte altmodisch:

— Wir waren im Park der Kultur mit dem Boot unterwegs. Ich ruderte, Wasenka sang … Und bei Luschniki gab es ein Zigeunerlager, ein Kohlfeld und ein kleines Stadion “ Utschitel (Lehrer)“. Dort gingen wir spazieren.

„Wie peinlich!“

Ich trat von einem Fuß auf den anderen und wartete auf den Großmeister am Gogolewski Boulevard. Aber er war immer noch nicht da.

Ich machte mir Sorgen: Was war passiert? Hatte ich einen Fehler gemacht? Ich erinnere mich, wie er über schlechte Augen klagte: „Ihr seid alle wie im Nebel. Ein Auge sieht gar nichts. Es ist eine solche Qual – ich kann nicht lesen, ich kann nicht schreiben…“

Wie fährt man mit einer solchen Sehbehinderung Metro? Ganz allein?

Er ist noch nicht da. Awerbach ist auf die Sekunde genau pünktlich, das weiß jeder in der Schachwelt. Er selbst verspätet sich nicht – und er kann Zuspätkommer nicht ausstehen. Er streicht sie aus der Liste der Freunde.

Ich hielt es nicht mehr aus, rannte ins Museum und wählte die Telefonnummer des Großmeisters. Oh, mein Gott – er meldete sich mit ruhiger Stimme! Was für eine Freude!

– Ju… Ju-Juri Lwowitsch!“, freute ich mich. – Ihnen geht es gut?

– Wer ist da? – antwortete Awerbach leicht gereizt.

– Ja, hier ist Jura, der Korrespondent, – platzte ich heraus. -. Wir verabredeten uns um zwei. Richtig?

– Ich habe versprochen, dich um zwei zu treffen“, erwiderte Awerbach vorwurfsvoll. – Um zwei werde ich da sein.

– Juri Lwowitsch, es ist schon Viertel nach drei.

– O Gott!, schimpfte der Großmeister. – Ist meine Uhr stehen geblieben? Was für eine Peinlichkeit!

Schon wegen dieser Begebenheit hat es sich gelohnt, auf dem Gogolewski Boulevard von einem Fuß auf den anderen zu treten. Nur wegen der Worte „Was für eine Peinlichkeit!“. Wer würde das heutzutage noch sagen – kein Wowka Bystrow…

„Mark Jewgenjewitsch liebte die Frauen sehr …“

Dem wunderbaren Awerbach genügte es – und so etwas gibt es! – einen Menschen im Vorbeigehen zu berühren, ein paar Worte zu wechseln, um ihn für immer in Erinnerung zu behalten. Verständnisvoll. Die Aura eines Genies.

Der berühmte Regisseur des Leningrader Fernsehens Erik Serebrennikow ist ein großartiger Entertainer. Er dachte sich die Frage an die führenden Schachspieler aus: „Wollen Sie Weltmeister werden?“

Er erzählte es mir – und ich lachte: Natürlich wollten sie das! Weshalb sollten sie nicht? Sogar ich wollte das – als ich als Kind einen Bauern bewegt hatte. Übrigens irgendwie in die falsche Richtung.

Erik betrachtete mich mit einer Art von Ironie, zu der er als einziger in Leningrad fähig war. Dieser Blick ließ mich erschaudern. Serebrennikow hatte noch kein Wort gesagt – und ich fühlte mich wie geistig behindert.

– Nein, das tust du nicht! – sagte er triumphierend.

Ich schwieg – und Serebrennikov fuhr nach einer langen Pause fort:

– Awerbach entgegnete: „Wissen Sie, ich habe mich noch nie über einen Sieg wahnsinnig gefreut und war wegen einer Niederlage den Tränen nahe. So wird man kein Weltmeister.

Wenn man mich nach so einen Schachspieler fragen würde, würde mir nur einer einfallen. Mark Taimanow, der Schwiegersohn von Awerbach. Er hat es bis zum WM-Match geschafft – er interessierte sich aber viel mehr für Musik und Frauen als für Schach. Er galt als einer der besten Pianisten des zwanzigsten Jahrhunderts.

Vielleicht verlor gerade deshalb den Wettkampf gegen den genialen Fischer mit 0:6…

Ich fragte Serebrennikow:

– Taimanow – derselbe Taimanow? Hat er sich nicht wegen Niederlagen geärgert?

Erik überlegte, wie er es besser ausdrücken könnte. Alle wohnten in der Nachbarschaft zu Mark Jewgenjewitsch, der Kamennoostrowski-Prospekt war nicht weit entfernt von Serebrannikows Stadtteil „Tschermjanka“.

– Mark Jewgenjewitsch liebte die Frauen sehr … Ihm stellte ich eine andere Frage: „Wie viele Partien gab es, bei denen Sie das Gefühl hatten, dass der Herrgott Ihre Hand führte?“ Taimanow nannte drei. Und Kasparow antwortete: „Vierzehn. Vielleicht fünfzehn.“

Mit 92, kommt man eben zu spät, wenn man sich verspätet hat

Juri Lwowitsch kam ohne Eile zum Eingang des Schachmuseums. Mit majestätischem Schritt. Mit 92 hat man es nicht mehr eilig – man kommt eben zu spät, wenn man sich verspätet hat.

Ich ließ ihn am Fenster vor dem Schachbrett aus Elfenbein sitzen. Der Ordnungsfanatiker Awerbach stellte die Figur richtig auf, die ich als „Offizier“ bezeichne.

Ich hebe das Objektiv an und habe genügend Zeit zum Auslösen. Eins, zwei, drei. Awerbach warf einen Blick auf das Brett – und spielte mit einem Unbekannten eine Partie. Er hob den Kopf – sein recht trüber Blick gleitet an mir vorbei und an den Wänden vorbei zu den großartigen Partien der vergangenen Jahre.

Ich mühte mich mit der Kamera und versuchte diesen Blick für die Geschichtsbücher einzufangen…

Das Schachspiel von Mao Zedong

Awerbach führte mich durch das Museum und berührte die wertvollsten Exponate mit seinen Fingerspitzen.

– Eigentlich wurde der Schachklub im Jahre 1956 eröffnet. Wir haben selbst etwas zusammengetragen. Anderes kam später dazu – hier ist es, das Prunkstück unserer Sammlung… Schauen Sie! Ein Schachspiel aus Elfenbein!

Es ist wunderschön, sagte ich und sah es mir genau an.

– Es gehörte Mao Zedong!

Wow. Woher haben Sie es?

– Mao hatte Bauchschmerzen und vertraute seinen eigenen Ärzten nicht wirklich. Er bat Stalin, einen vertrauenswürdigen Arzt zu schicken – und dieser schickte den führenden Gastroenterologen der UdSSR, Wladimir Wasilenko. Ein großer Liebhaber des Schachs. Dann heilte er Mao Zedong. Doch als er in die Sowjetunion zurückkehrte, wurde er direkt vom Flughafen in die Lubjanka gebracht. Gerade fand der „Ärzte-Prozess“ statt. Er saß ein Jahr im Gefängnis – bis Stalin starb. Seltsamerweise durfte das Schachspiel bei ihm in der Zelle bleiben. Und als Wasilenko starb, kauften wir das Schachspiel der Witwe ab. Unglaublich, nicht wahr?

Ich nickte – es waren keine Worte nötig. Ein Wunder!

Der Tisch von Karpow und Kasparow

Mein Blick fiel auf den Tisch mit den Namen „Karpow“, „Kasparow“ … Das Jahr 1984! Soll das der Tisch sein?

– Er ist echt, echt, – versicherte Awerbach. – von 1984!

Ungläubigkeit stand mir ins Gesicht geschrieben. Das blieb Awerbach nicht verborgen.

– Ich verbürge mich! rief er fast schon. – Ich war damals Schiedsrichter bei dem Wettkampf!

Wie hätte ich daran zweifeln können? Juri Lwowitsch beweist zugleich sein Erinnerungsvermögen. Er klopft mit seinem Fingernagel leicht auf den Tisch.

– Übrigens, der Tisch wurde 1968 aus Kuba mitgebracht. Sogar die Uhr ist original. Aber die Figuren mussten ersetzt werden.

– Hat sie jemand gestohlen?

– Dazu gibt es eine Geschichte! Karpow und Kasparow berührten die Figuren – sie mochten sie nicht. Das kommt vor. Manche Menschen sind von Uhren genervt. Ich ging in das Zimmer mit unseren Schätzen. Ich entdeckte ein wunderschönes Schachset aus Holz, klassischer Staunton, das zum Verkauf stand. Der Turm hatte das Standardgewicht von 66 Gramm. Es wurde beschlossen, damit zu spielen. Dieses Match endete ohne einen Sieger, und der erste Direktor des Museums, Sorokin, bekam den Figurensatz zurück. Er gab ihn nicht zurück. Er selbst hat ihn gekauft. Auch wenn er von der Partei gerügt wurde. Er bat mich auch um ein Zertifikat, das bestätigte, dass es sich um das Schachspiel handelte, mit denen Karpow und Kasparow spielten. Wo das Schachspiel jetzt ist – keiner weiß es. Sorokin ist tot.

– Was für eine Tragödie. Es war ein unglaubliches Duell.

– Das war es. 48 Partien…

Blondinen für Karpow

Ehrlich gesagt, ich habe vergessen, dass Awerbach dieses Spiel leitete. Sofort kamen Fragen auf – sie drängten sich förmlich gegenseitig auf.

– Sagen Sie, Juri Lwowitsch, was hat Sie erstaunt?

– Es gab einen Moment, wo das Publikum ganz klar in Brünette und Blondinen getrennt war. Die Blondinen drückten Karpow die Daumen. Zu dieser Zeit stieg die Zahl der Dienstreisen aus dem Kaukasus nach Moskau sprunghaft an. Als die Schachspieler die Bühne betraten, gab es Applaus. Kasparow wurde länger und lauter beklatscht als Karpow. Dann wurde mir aufgetragen zu sagen, dass Applaus vor dem Spiel verboten ist. Klatschen sie hinterher. Die Redakteure wurden in das Zentralkomitee zitiert – die Mitteilung lautete: fifty-fifty. Es gab keine Mehrheit.
Alijew unterstützte Kasparow und der Sekretär des Zentralkomitees für Propaganda unterstützte Karpow. Der denkwürdigste Tag dieses Duells war, als Campomanes auftauchte und das Duell kurzerhand abbrach. Jenseits aller Regeln. Karpow hatte kein Durchhaltevermögen, nach dreißig Partien erlebte er einen starken Leistungseinbruch. Man versuchte, ihn mit aller Kraft wiederaufzurichten, aber es gelang nicht. Sie verabreichten ihm Medikamente.

– Ich erinnere mich an dieses Match – es tat weh, Karpow so zu sehen.

– Ja, es tut weh. Er hatte mächtig abgenommen. Daher war Kasparow verärgert, dass das Match abgebrochen wurde. Campomanes sprach im Hotel „Sport“. Karpow war nicht da – er soll im Auto gesessen und das Geschehen über das Funktelefon verfolgt haben.

Kasparov und sein Team saßen in der Halle. Ich war im Präsidium. Mitten in der Rede von Campomanes höre ich ein gelegentliches Flüstern: „Juri Lwowitsch, was sagt er da?! Wir haben uns auf etwas ganz anderes geeinigt!“ Ich drehte mich um und sah hinter mir, wie blass Tolik [Anatoli Karpow] war. Es stellte sich heraus, dass der Vorsitzende des Schachverbandes, der Kosmonaut Sewastianow, einen Brief an Campomanes geschrieben hatte, in dem er vorschlug, das Match für zwei Monate auszusetzen – und danach fortzusetzen. Es heißt, die Teilnehmer seien am Ende ihrer Kräfte.

Zwei Stunden lang diskutierten wir, was wir tun sollten. Bis wir auf die Idee eines Revanche-Kampfes kamen, der beim Stand von 0:0 beginnen sollte. Kasparow war verärgert, dass das Match abgebrochen wurde. Tolik – dass er nicht in der Lage gewesen war, den Vorsprung zu halten. In diesem Match musste er nur noch eine Partie gewinnen, um auf sechs Siegpartien zu kommen! Aber er konnte nicht! Ähnlich erging es ihm in Baguio gegen Kortschnoi – er führte 5:2 und hatte dann drei Partien verloren. Mit äußerster Anstrengung konnte er noch einen Sieg erringen…

Die Postkarte von Kortschnoi

Ich wollte jedes Exponat in diesem Museum anfassen – Juri Lwowitsch schaute unfreundlich, aber von Zeit zu Zeit erlaubte er es. Es gab das Schachspiel von Nachimow, das Schachspiel der Wikinger, daneben ein Schachspiel aus Birkenrinde, ein japanisches Schachspiel mit Glöckchen …

Hinter mir klang Awerbachs Stimme sanft. Er erzählte von den Verrückten, die diese Sammlung zusammengetragen hatten. Einmal für sich selbst – und wie sich herausstellte, für alle anderen auch. Alles war hier vertreten. Ich entdeckte den Namen „Dombrowski“.

– Wer ist Dombrowski? – fragte ich nach.

– Dieser Dombrowski erweiterte während der Blockade ständig seine Sammlung – er war der Leiter der Feuerwehr. Als er starb, kaufte der Verband alles auf.

Video zur Schachsammlung von W. A. Dombrovski , 1957 Leningrad:

Einst besuchte ich Awerbach in eben jenem Hotel „Sport“ und ich erinnerte mich, ich hatte es noch genau vor Augen, welche Exponate Juri Lwowitsch mir erlaubte, anzufassen. Mein Atem stockte. Anscheinend war eine Postkarte eben nur eine Postkarte. Nun!

Auf der Postkarte gab es einige böse Gemeinheiten, die an Juri Lwowitsch gerichtet waren. Und aus wessen Feder – aus der von Kortschnoi!

Mit Kortschnoi hatte ich meine eigene Erfahrung – eines schönen Tages erfuhr ich, dass er nach Moskau reisen würde. Ich rief an und wir vereinbarten, uns sofort zu einem Interview zu treffen. Wiktor Lwowitsch wusste bereits, dass er in einem winzigen Hotel in der Nähe des Kiewer Bahnhofs übernachten würde.

«Rheinmetall“-1956

Ich hatte mir einen Menge Fragen ausgedacht, machte mich startklar… Plötzlich klingelt es und Kortschnois kalte Stimme war zu hören:

– Es gibt kein Interview. Ich habe es mir anders überlegt.

Kurze Pieptöne.

Ich saß ein oder zwei Minuten wie betäubt da und rief ihn erneut an. Wiktor Lwowitsch ging nicht ans Telefon. Weder an diesem noch am nächsten Tag. Eines Tages werden wir uns im Jenseits treffen und ich werde ihn fragen: Was sollte das denn?

Es tut mir immer noch weh. Denn solche bekannten Menschen bleiben das ganze Leben in Erinnerung. Eine Erinnerung, die für immer bleibt.

Und so tat Kortschnoi Awerbach einen Gefallen. Ein Lwowitsch schrieb dem anderen etwas Gemeines – jeder wie er wollte. Bei jeder Zeile hörte ich Kortschnois Stimme, die mit keiner anderen zu verwechseln war.

Jetzt habe ich den ehrenwerten Juri Lwowitsch angesprochen:

— Würden Sie dem Museum die Postkarte schenken?

„Oh, nein“, Awerbach hob seinen Finger. – Ich behalte sie als Andenken!

– Ich habe vergessen – was stand da geschrieben?

– Ich war Präsident des Verbandes, als Kortschnoi gegen Karpow spielte. Ein Anruf von Kortschnoi: „Wir streiten, wann wir anfangen sollen. Ich will um 4 Uhr anfangen, Karpow um 5 Uhr. Er schläft gern, steht spät auf. Können Sie helfen, Druck auf das Sportkomitee auszuüben?“ Ich rief denjenigen an, der im Sportkomitee für Schach zuständig ist. Er schlug vor: „Lasst uns um 16.30 Uhr beginnen?“ – „Auf keinen Fall. Wir kamen Kortschnoi schon entgegen, indem wir einen ausländischen Schiedsrichter einluden. Sie fangen um 5 Uhr an!“

Kortschnoi erfuhr davon – und so schrieb er diese Gemeinheiten. Angeblich würde ich mit dem Sportkomitee gemeinsame Sache machen. In großen Druckbuchstaben stand „Ich bin der Größte.“ Die Karte hing am Eingang der Redaktion der Schachzeitschrift, bei der ich arbeitete. Jeder, der hereinkam, konnte sie lesen. Danach sprachen wir 25 Jahre lang nicht miteinander. Kortschnoi ist ein verbitterter Mann. Er denkt immer, es gäbe Intrigen, Verschwörungen gegen ihn….

Awerbach bewahrte diese Karte neben seiner Schreibmaschine auf. Auch die Schreibmaschine selbst ist ein Ausstellungsstück. Eines Tages wird sie das Museum zieren. Aber im Moment tut es ihm weh, sie wegzugeben.

– 1956 gewann ich das Turnier in Dresden und kaufte mir von dem Preisgeld diese Rheinmetall-Schreibmaschine. Wie viele Bücher habe ich schon darauf geschrieben!

– Und Computer?

– Im Alter von 90 Jahren habe ich mir einen zugelegt. Schon bald begann meine Sehkraft zu schwinden.

Tschigorin verbrannte das Schachspiel bevor er starb

Wie tausende Geschichten in den Kopf eines 92-jährigen Mannes passen – ich habe keine Ahnung. Ich suche mit 47 eine Brille – und eine halbe Stunde später stelle ich fest, dass ich sie aufhabe.

Vom Schachspiel aus der Zeit der Leningrader Blockade kamen wir zu der Geschichte des weltweit größten Schachsammlers. In Mexiko sammelte jener zweitausend Schachspiele. Für diesen Schatz stellte er eigens ein vierstöckiges Haus zur Verfügung. Er träumt von dem Schachspiel des Großfürsten Michail Romanow – aber das ist in einer anderen Sammlung zu finden, beim ehemaligen Präsidenten der Chess Collectors International (CCI), Dr. Thomas Thomsen …

Wie passt das alles in seinen Kopf? Auch wenn die Großmeister außergewöhnliche Menschen sind. Sie sind irgendwie von einer anderen Welt…

Ich hatte gehofft, nach Aljechin und jener Geschäftsreise nach Estoril fragen zu können. Als Juri Lwowitsch sich wie Hercule Poirot fühlte.

Es geschah einfach – Awerbach stellte irgendeine Wochenschau ein. Schüsse fielen. Ich schaute genau hin, aber verstand nichts.

– Was ist das?

— Das Jahr 1935! – sagte Awerbach mit Nachdruck. Offenbar sollte es etwas bedeuten. Aber es gab keine Erklärung dazu.

Der älteste Großmeister der Welt erläuterte leicht gereizt:

– Der Holländer Euwe gewann die Weltmeisterschaft gegen Aljechin. Es kamen viele Holländer. Zu Ehren von Aljechin sangen sie die Marseillaise. Er steht blass da, im Smoking, er hatte soeben den Weltmeistertitel verloren … Aber er singt die Marseillaise, die französische Hymne!

– Ist das nicht sein Schachspiel, das da unter dem Glas liegt? Eine Art Antiquität.

– Das Schachspiel von Tschigorin!

– Ach.

– Eine Legende besagt, dass Tschigorin vor seinem Tod von allem enttäuscht war und seine Schachfiguren verbrannte. Aber 1952 erzählte seine Tochter, dass er ein Reiseschachspiel verbrannte. Und hier ist sein eigenes handgeschriebenes Buch, in ganz winziger Schrift.

– Das ist unbezahlbar.

– Ich kann mich rühmen, Aljechins Notizbuch in meiner persönlichen Sammlung zu haben!

– Das ist unglaublich, Juri Lwowitsch.

– Ich werde sie in unserem Schachkulturzentrum aufbewahren. Es enthält die Kopie eines Briefes nach Amerika aus den 1930er Jahren, in dem er sich bereit erklärt, ein Match mit Capablanca zu spielen. Aljechin wollte schon etwas früher nach Amerika kommen, um dort am Turnier teilzunehmen. Das Museum hat ein ganzes handgeschriebenes Notizbuch von Aljechin. Und ein Lehrbuch mit seinem Namenszug – da, sehen Sie, es ist mit Bleistift geschrieben: „Тишайший“ …

Erläuterung zu“Тишайший“ bzw. „Тиша“ (in deutscher Übersetzung: „Leise“, Transliteration: „Tischa“): Alexander Aljechin hatte es nicht leicht, mit Menschen auszukommen, er war das, was man einen Introvertierten nennt. Er spielte schon früh Schach und war sehr in sich gekehrt. Es war kein Zufall, dass er den Spitznamen „der Stille“ trug. Er signierte seine frühen Partien mit „T. Aljechin“. Link zur Quelle der Erläuterung (in Russisch)

– Das ist der Namenszug?

– Nun ja. So nannte ihn seine Familie. Oder Tischa. Aljechin lernte mit diesem Lehrbuch in Französisch Schach zu spielen. Die Parteien sind mit Häkchen markiert – das bedeutet, dass er sie verstanden hatte.

„Der tote Aljechin sitzt in seinem Mantel im Zimmer…“

– Sie haben die mysteriöse Todesumstände von Aljechin untersucht. Was haben Sie herausgefunden? – Ich eilte zum Nachtisch.

– Es gab Gerüchte, dass er vergiftet wurde…

– Ja ja.

– Alles stützte sich auf die Aussage des Kellners, der vor seinem Tod gestand, den Weltmeister vergiftet zu haben. Aber es gab nichts Schriftliches. Das Ganze geschah in einem Hotel in Estoril. Dorthin war ich gereist.

– War es wirklich möglich, Jahre später etwas zu finden?

– Wie sich herausstellte – nein. Sogar das Hotel selbst war abgerissen. Es gab keinerlei Zeugen. Es spricht viel dafür und viel dagegen. Das sind Fragen für einen guten Detektiv. Was konnte ich tun? Das Foto, auf dem der tote Aljechin in seinem Mantel im Zimmer sitzt, trug zur Verwirrung bei. Warum im Mantel? Er ging irgendwo hin und starb auf der Straße?

– Aljechin soll noch am Strand gestorben sein.

Es gibt einen Strand in Estoril, aber der Tod ist dort nicht eingetreten. Es war März – was sollte Aljechin am Strand treiben? Übrigens, es gab eine Exhumierung …

– Was hat sie ergeben?

– Auch eine seltsame Geschichte – Aljechin hatte eine tadellose Leber. Obwohl in den Memoiren eines spanischen Journalisten zu Aljechin geschrieben steht, dass er eine Leberzirrhose hätte. Ja, viele haben sich mit dieser Geschichte befasst – sogar Spasski stellte eigene Nachforschungen an. Er weiß genauso viel wie ich: das, was der Kellner gestand. Aber er zog seine eigenen Schlüsse.

„Genau wie in dem Film „Marinedolch“ Es wurde viel nachgeforscht, aber niemand hat etwas gefunden.

Marinedolch“ ist die deutsche Bezeichnung  für den sowjetischen Film „Бронзовая птица

– Ja! Irgendein Pianist, der später nach Amerika auswanderte, trat in den Zeitschriften mit seinen Vermutungen in Erscheinung… Aljechin war ein eigenartiger Mensch – voll und ganz. Er wurde von seiner Großmutter erzogen. Seine Mutter hat sich nie mit ihm beschäftigt – auch das hat seine Denkweise geprägt. Es ist kein Zufall, dass Aljechin immer Frauen heiratete, die wesentlich älter waren als er selbst. Er nannte sie „Mütter“. Die letzte, Grace, war zehn Jahre älter.

– Ich kann mir ausmalen, wozu solche Eigenheiten führen.

– Auch in diesem Fall nahmen die Dinge eine seltsame Wendung: Aljechin war ein mit Kriegsorden ausgezeichneter Mann! Er war Leiter eines Sanitätszuges. Einen der Orden, den St.-Stanislaus-Orden, bekam er, weil er einen verwundeten Offizier gerettet hatte.

— Das ist erstaunlich, Juri Lwowitsch.

– Und es gibt eine Menge erstaunlicher Dinge über ihn. Weltmeister sind besondere Menschen. Aljechin studierte in seiner Jugend die Partien von Capablanca sehr sorgfältig. Obwohl zu dieser Zeit Lasker der Weltmeister war. Man fragte ihn: „Warum?“ – „Capablanca wird bald Weltmeister sein …“ Ich kannte Aljechins Bruder Alexei gut. Ein sehr netter Mann. Er lebte in Moskau, leitete den Schachklub. Und als Schuljunge bin ich regelmäßig zu ihm hingegangen.

– Konnte der Weltmeister in Moskau begraben werden?

– Die Familie wollte das nicht. Obwohl es auf dem Nowodewitschi-Friedhof eine Kapelle der Prochorows gibt. Es sind Verwandte mütterlicherseits.

– In Portugal?

– Zunächst ja. Zehn Jahre später wurde er in Paris umgebettet. Botwinnik nahm im Namen der Sowjetunion an der Beerdigung teil. Auf dem Denkmal steht: „Dem Genie Russlands und Frankreichs.“ Jahre später war ich in England Schiedsrichter bei der Weltmeisterschaft Kasparow-Short. Ich hatte mehrere Auftritte für die BBC. Einmal fragte ich, ob sie noch irgendetwas von Aljechin hätten. Sie versprachen nachzuschauen – und brachten mir eine Aufzeichnung seines Interviews aus dem Jahr 1938. Aljechin gewann gerade eine Partie gegen Euwe. Diese Aufnahme habe ich immer noch.

„Petrosjan hat die Meisterschaft verloren – und er war sehr erleichtert“

Ich sah Juri Lwowitsch an – und es war, als spräche er aus einer anderen, fernen Welt. Ich schüttelte seine riesige Hand und spürte die Energie von Petrosjan, Botwinnik und Tal. Und natürlich von Smyslow. Jener „Wasenka“. Und von Euwe.

—Mit Euwe bei der FIDE zusammenzuarbeiten, war sehr angenehm. Wasenka und ich sind seit unserer Kindheit engste Freunde. 1938 belegte er den ersten Platz bei den Schülern unter 18 Jahren und ich den 1. Platz bei den Schülern unter 16 Jahren. Er und seine Frau starben im Abstand von wenigen Wochen. Vor ihnen starb der Adoptivsohn, der Selbstmord beging. Der Junge hatte psychische Probleme und man musste auf ihn aufpassen. Auch Smyslows Frau gab sich dem Schach hin, sie verreiste. Sie kehrten zurück – der Sohn war tot.

– Was für ein Albtraum. Smyslow lebte jedoch lange. Wie viele Großmeister.

– Es sei denn, der Bauchspeicheldrüsenkrebs bringt sie um. Aus irgendeinem Grund sind viele daran gestorben. Botwinnik starb daran, Petrosjan…

– Tal litt unter irgendwelchen Schmerzen.

– Tal hatte noch etwas Anderes – ihn plagten ständige Nierenschmerzen. Das wirkte sich auf seine Stimmung aus. Er nahm Pantopon, ein Narkotikum. Jemand fragte: „Mischa, bist du ein Tschigoriner?“ „Ich bin ein Morphynist…“

– Es wurden Bücher über Tal geschrieben. Im Unterschied zu Petrosjan.

– Petrosjan ist eine faszinierende Persönlichkeit!

– Inwiefern?

– Kein Ehrgeiz.

– Wird man so Weltmeister?

– Seine Frau spielte eine große Rolle bei seiner Weltmeisterschaft. Und die Menschen in Armenien sagen: „Versuch, ein Weltmeister zu werden!“ Nun, das wurde er. Und als er die Weltmeisterschaft verlor, nahm er es mit großer Erleichterung hin. Es hat ihn alles belastet.

– D.h., der wahre Weltmeister war Rona Petrosjan?

— Da ist etwas dran… Sie spielte selbst Schach. Einmal fragte sie den Leiter des Schachklubs: „Wer hat die besseren Erfolgsaussichten: Petrosjan oder Furman? Wer spielt besser?“ – „Natürlich, Petrosjan!“ Sie heiratete Petrosjan. Obwohl sie auf einer anderen Version bestand.

– Ist das krass?

– Die Großmeister Petrosjan und Geller waren Freunde. Ich war der Dritte im Bunde. Soweit ich weiß, hat Geller Rona nie den Hof gemacht. Anders Petrosjan. Aber sie ließ es so aussehen, als ob sie in beide verliebt wären. Und dann kündigte sie an: “ Wer von euch beim Kandidatenturnier besser ist, den heirate ich.“ Es stellte sich heraus, dass Petrosjan besser abschnitt.
. Übrigens, ich war sein Trainer, ich ermahnte ihn: „Tigran, du verpasst deine Chance!“ – „Du hast es leicht, zwei Jahre bis zur Rente. Aber für mich sind es zehn Jahre!“

– Aber er erlebte den Ruhestand nicht mehr.

Ja, er starb mit 55 Jahren. Kortschnoi hatte erkannt: Wenn Petrosjan verärgert war, begann er schlecht zu spielen. Er versuchte alles, um ihn aufzubringen. Sie spielten auf der beweglichen Bühne im Dramatischen Theater in Odessa. Der Tisch war nicht fest verankert. Petrosjan, der in die Partie versunken war, begann mit einem Bein zu wackeln. Der Tisch und die ganze Bühne wackelten. Kortschnoi stichelte: „Was, du nutzt deine letzte Chance?“ Das ganze Spiel über versuchte er, ihn zu verärgern. Petrosjan bekam Magenkrämpfe. Vielleicht rückte dadurch das tragische Ende näher.

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Ich erinnerte mich krampfhaft an alles, woran ich mich erinnern konnte. An alles, was ich gelesen hatte. Sogar an “ Schach-Witze“. Man muss unbedingt die Gelegenheit nutzen – wenn der Großmeister schon so redselig war. Es bestand die Gefahr, etwas Falsches zu sagen und dann fliegen einem ein paar Schachfiguren um die Ohren. Wie bei Großmeister Bender.

Aber zum Glück war Awerbach geduldig und freundlich. Jede Frage wurde beantwortet.

Sogar diese absurde:

„Es gab große Schachmeister, die den Gegner mit Tabakrauch einnebelten“, stieß ich hervor. Vorsichtshalber ging ich zur Seite.

Der Großmeister rückte mit seinem Stuhl näher heran. Erfreut von der Frage:

– Die erste Person, der dies vorgeworfen wurde, war Lasker. Er rauchte stinkende Havanna-Zigarren. Ilf und Petrow haben ihn nicht ohne Grund erwähnt. Botwinnik störte der Zigarrenrauch – deshalb machte er absichtlich Freundschaftsspiele mit Ragosin, damit dieser ihn mit Rauch einnebelte. Er versuchte sich einzureden, dass er sich an den Gestank gewöhnen würde. Er nannte es „Selbstprogrammierung“. Dass ihm der Lärm im Saal nicht störte, spielte Botwinnik mit mir, während das Radio lief. Ich stand nach fünf Stunden mit dröhnenden Schädel auf. Besonders zur Hauptverkehrszeit.